Das Last Interview mit form/prim

form und auch prim sind Künstlernamen des in Berlin lebenden Rappers David Häußer. Neben der Musik ist David Häußer auch Herausgeber des Magazins FICKO.

Welches Buch hast du zuletzt gelesen?

Ich bin fast fertig mit „Proleten Pöbel Parasiten – Warum die Linken die Arbeiter verachten“ und finde es ziemlich interessant und meistens hilfreich. Mich stören zwar auch Dinge daran, die ich meistens unter „linke Kinderkrankheiten“ abhefte – allein der Titel ist ja schon recht grobkörnig –, aber insgesamt hat mir das Buch bisher geholfen, mein Unbehagen an einigen Debatten und Tonlagen auf den Punkt zu bringen. Z.B. komme ich vom Dorf und spreche eigentlich mit dialektaler Einfärbung. Das habe ich mir aber abgewöhnen müssen, um nicht ständig gegen eine Mauer aus Ignoranz und ekelhafter Selbstüberhöhung von Leuten zu stoßen, die in ihrem vermeintlich richtigeren Hochdeutsch auf alle herabschauen, die ihren Regeln nicht folgen. Die Verachtung, die der Provinz gegenüber oft von Seiten der Städter_innen an den Tag gelegt wird, widert mich an. Das sind aber natürlich nicht nur Linke, das ist ganz allgemein unnötig.

Was war der letzte gute Film, den du geschaut hast?

Ich schaue so viele Filme, dass mir jetzt gar nicht alle einfallen und ich musste nachschauen: „Les Démons“ von Philippe Lesage war es und er hat mir gut gefallen.

Das letzte gute Album?

Hmm. Es gibt so viele hervorragende Musik. Auf meinem mp3-Player gefällt mir „Engravings“ von Forest Swords hervorragend. Aber auch fast alles andere darauf ist wunderbar und ich halte immer extra den Bus an, um es allen zu erzählen.

Wann das letzte Mal geweint?

Ich schaue mir eigentlich lieber keine Videos aus Kriegsgebieten mehr an, das nimmt mich zu sehr mit, aber im Dezember habe ich es doch getan. Ein Video aus Aleppo, auf dem zunächst ein blutüberströmter Mann an einer Wand lehnt und mehr oder weniger apathisch vor sich hin wimmert, dann sieht man das offene Bein des Filmenden, bevor er umschwenkt auf die sonnengeflutete Straße voller Trümmer. Es sind auch Schüsse und weiterer Kriegslärm zu hören. Da liegt ein Mann und brennt. Er stöhnt leise und wälzt sich langsam hin und her. Nach einer Ewigkeit kommt jemand und löscht das Feuer mit einer Decke. Dieses Video ist die Hölle. Und sie ist für die Leute in Syrien, die keine Lust mehr auf das Leben in einer Diktatur hatten, die Realität geworden. Das finde ich tatsächlich schwer zu ertragen.

Welche Textzeile hat dich zuletzt beeindruckt?

Diese Frage hält mich nun schon mehrere Tage auf. Bei Kate Tempest kann ich keine einzelne Zeile hervorheben, das funktioniert nicht. Vince Staples ist auch ohne Beats nicht so geil wie mit. Ich durchbreche diese Blockade, indem ich skippe.

Welche Person?

Eine Freundin hat mir kürzlich den Kopf gewaschen, weil ich mir zu viele Gedanken über einen total bekloppten Vorwurf bzw. einen sehr paternalistischen Tipp gemacht habe, den mir jemand an die Absage nach einer Wohnungsbesichtigung hängte. Ich tendiere tatsächlich dazu, zu viele Meinungen durch den Spamfilter zu lassen und sie hat es mit ihrer liebevoll mega aggressiven Art geschafft, dass ich nun mehr Angst vor ihr habe als vor den anderen und demnach fortan ein ruhigeres Leben führen dürfte.

Kannst du dich an einen youtube-Kommentar erinnern, den du unter deinem letzten Video gelesen hast?

Unter meinem letzten nicht, aber der jüngste Kommentar ist so schön, den sollten alle sehen:
„"alter was für ein dämlicher Text eines 3 jährigen, geistig behinderten, kleinen Jungeb, welches anscheinend jeden Tag den Schwanz seines Vaters an den Kopf geklopft bekommen hat.... Aber dafür kann er ja nix... Richtig traurig und ekelig wirds erst, wenn er anfängt sein Maul auszumachen und seine super hässliche Stimme die Welt mit jedem seiner Wörter zu einem schlechteren, dümmeren, verloreneren Ort macht... Gott sei Dank überträgt sich sein Kacke-Mundgeruch noch nicht über den Fernseher... Da man niemanden sonst zum Suizid raten darf, überlege ich nach diesem Dreck ernsthaft mich selbst umzubringen... Ich kann nix tolles sein, wenn ich mit so einem dummen, wertlosen, schlechten Menschen zusammen auf einem Planeten bin... Keine Ahnung von nix aber Hauptsache er fühlt sich cool... Geiler Macker... beschäftigt euch lieber mit Dingen wie den Chasaren, der Balfour-Deklaration, dem Hooton-Plan, den Georgia Guidestones oder guckt euch die Gesichtszüge, Körpergröße Haarfarben von Mumien an und dazu den Bericht dass jeder 2te Deutsche von Tutanchamun abstammt und die heutigen Araber nicht... Fragt euch woher der Begriff "indogermanisch" "indoarisch" oder "indoiranisch" kommt... Lest Platon oder die Veden über Indra oder sonst was.. Von mir aus Bücher oder auf Wikipedia... Aber fangt an zu lesen, euch zu bilden, oder endet wie dieser dumme Idiot in diesem Video, der nix checkt bis er ein verchippter Sklave ist aber selbst dann wird er noch grinsend lachend während er vergiftet wird und dafür auch noch Geld bezahlt.... Falls du Opfer überhaupt irwas sinnvolles machst in deinem Leben und dich nicht nur auf den Errungenschaften deiner Vorväter ausruhst... widerlicher Mensch.."

Wann warst du das letzte Mal ein schlechter Mensch?

Gestern. Ich gab dem armen Mann kein Geld in der U-Bahn, ich hab ihn ignoriert. Ich versuche sonst immer was zu geben, aber gestern war ich zu kaputt und habe prompt ein schlechtes Gewissen.

Mit wem hast du dich zuletzt gestritten?

Ich streite täglich, aber meist geht es da um politische Fragen, das sind des Öfteren keine schlimmen Streits auf persönlicher Ebene bzw. breche ich den Kontakt zu Leuten ab, die es nicht schaffen, inhaltlich zu bleiben. Den letzten wirklichen Streit hatte ich im Dezember mit einer Frau, in die ich verliebt war.

Was ist das Letzte?

Die Band Trailerpark.

Die letzte Frage ist keine Frage. Hier hast du Platz, um von einem Projekt zu erzählen, etwas loszuwerden oder eine Kontaktanzeige aufzugeben. Was du willst.

Ich habe mich mit der schlussendlichen Beantwortung dieser Fragen auch nur davon abgehalten, die noch fehlenden Texte für mein nächstes Release fertigzuschreiben (ahja, Werbung: Es heißt „Gott sieht, dass du faul bist“). Weil es mich nun gerade so nervt, grüße ich die Zukunft, in der dann alles fertig ist und lade euch ein, auf die „Gott war ein Inside Job“-Tour zu kommen. Und jetzt geh ich erst mal ein bisschen raus in den schön milden Berliner Winter und schlag ein paar Laternen zu Brei.